Einheitliche Dokumentation für ein komplexes EMSR-Projekt

Einheitliche Dokumentation für ein komplexes EMSR-Projekt

GASCADE nutzt EPLAN Electric P8 als Kommunikationsplattform mit den Lieferanten für eine saubere und sichere Dokumentation über die verschiedenen Gewerke hinweg.

Am Lubminer Ostseestrand schlägt das automatisierungstechnische Herzstück der grössten europäischen Energieinfrastrukturinvestition der letzten Jahre. Dort erreicht die Nord Stream-Pipeline deutschen Boden und liefert pro Stunde bis zu 6,6 Mio. m3 russisches Erdgas zur neuen Anlandestation Greifswald in Lubmin. Der Planer und Betreiber der komplexen Station, die GASCADE Gastransport GmbH (Gemeinschaftsunternehmen von BASF und Gazprom), hat die Dokumentation der gesamten EMSR-Technik standardisiert und alle Lieferanten auf EPLAN Electric P8 verpflichtet. Das Ergebnis ist eine saubere und sichere Dokumentation über die verschiedenen Gewerke hinweg. Von den sibirischen Gasfeldern am Polarkreis über das russische Wyborg per Nord-Stream-Pipeline wird das Gas durch die Ostsee nach Lubmin bei Greifswald und von dort über die europäischen Anschlusspipelines »OPAL« (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) nach Süden bis in die Tschechische Republik sowie die »NEL« (Nordeuropäische Erdgasleitung) nach Westen in Richtung des Speichers Rehden weitergeleitet. Diesen Weg nimmt ein beträchtlicher und weiter steigender Anteil des Erdgases, das in Deutschland und Westeuropa verbraucht wird. Ein Megaprojekt für die Energie-Infrastruktur Der erste Strang der Nord-Stream-Pipeline ging im November 2011 in Betrieb, der zweite Strang elf Monate später. Jetzt können jährlich etwa bis zu 55 Mrd. m³ Gas von den westsibirischen Erdgasvorkommen nach Europa transportiert werden. Das entspricht mehr als der Hälfte des jährlichen Erdgasbedarfes in Deutschland, der 2010 bei 96,26 Mrd. m³ lag. Die Nord Stream Megaprojektpipeline des Betreiberkonsortiums, an dem die BASF SE, Gazprom sowie Gasunie und GDF Suez beteiligt sind , wurde termingerecht nach nur 30 Monaten Bauzeit und innerhalb des geplanten Budgets von 7,4 Mrd. Euro fertiggestellt. Bindeglied zwischen Pipeline und Fernleitungsnetz In der Station wird das Gas von möglichen Fremdstoffen gereinigt und auf eine definierte Temperatur gebracht, um Kondensation beim Weitertransport zu vermeiden. Dann wird das Erdgas über die beiden Anschlusspipelines OPAL und NEL in das europäische Fernleitungsnetz verteilt. Hoher Aufwand an Steuerungs- und EMSR-Technik Auf der Anlage sind 13 Elektroschalträume mit über 320 Schaltschränken verteilt. Dies gibt einen Eindruck von dem Aufwand an elektrischer Steuerungs-, Mess- und Regeltechnik. Neben Filtern und Vorwärmern sind viele Armaturen installiert, die Gasdruck und –menge regulieren. Ausserdem sind in einem separaten Anlagenbereich Messstrecken errichtet worden. Sie ermitteln für OPAL und NEL per Ultraschallzähler den aktuellen Gasdurchsatz und die Gasbeschaffenheit, bevor das Erdgas die Station über die beiden Transportleitungen verlässt. E-CAD: Standardisierung als Ziel Wie plant man eine solche Anlage, an der viele Gewerke beteiligt sind und bei der fast alle Lieferanten in irgendeiner Weise Neuland betreten? Projektleiter Ralf Hartmann, bei GASCADE für die Planung und Inbetriebsetzung der gesamten EMSR-Technik der Anlandestation Greifswald verantwortlich, hat zuvor bereits weltweit Grossprojekte unterschiedlicher Art geleitet und legte von Beginn an grossen Wert auf eine einheitliche Datenbasis: „2009 hatten wir die Konzeptplanung der Lubminer Anlage abgeschlossen und haben begonnen, die Spezifikationen zu erstellen und Angebote für die verschiedensten EMSR-Teilgewerke eingeholt. In verschiedensten Teilanlagen wurden über 20 EMSR Aufträge vergeben und die Lieferanten beim Detail-Engineering und der Lieferung betreut. Zuvor hatten wir – mit Unterstützung durch das EPLAN Consulting – einen Standard festgelegt, nach dem jeder Zulieferer die Elektro-, Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik (EMSR)-Dokumentation erstellen muss.“ In 2008 hatte Hartmann nach interner Abstimmung und viel Überzeugungsarbeit den neuen EPLAN-Weg bei GASCADE eingeschlagen. Lieferantenhandbuch für Elektro-Engineering als Basis Die grundlegende Vorgabe lautete: Die EMSR-Planung muss mit EPLAN Electric P8 erfolgen. In einem firmeninternen Ingenieurhandbuch, das eigens für die Anlandestation erweitert wurde, definierte GASCADE die Struktur eines Basisprojektes. Ferner erhielten die Zulieferer ein beispielhaftes Basisprojekt, in dem alle Daten und Einstellungen sowie Standard-Typicals enthalten waren. Darüber hinaus wurden auch Formulare z.B. für Artikel, PLT-Stellenlisten, Kabellisten etc. entwickelt, die von den Zulieferern zu übernehmen waren. Auch Excel-Schnittstellen für den Datenimport wurden definiert. Saubere Dokumentation, schnelle Anpassung an Veränderungen Warum diese strikte Regulierung? Ralf Hartmann: „Zu unseren Aufgaben als Anlagenbetreiber gehört es, eine saubere Dokumentation der kompletten Anlage zu führen und auf aktuellem Stand zu halten, wenn es Umbauten oder Erweiterungen gibt. Das ist ohne einen einheitlichen Standard kaum möglich, zumal wir vor Ort nur mit einem kleinen Stamm an Mitarbeitern tätig sind.“ Auch negative Erfahrungen aus einem früheren Projekt veranlassten Projektleiter Hartmann, bei der Standardisierung keine Kompromisse einzugehen: „In einem früheren Projekt wurde die Dokumentation in teils sechs verschiedenen Planungssystemen geliefert. Das hatte lange Nacharbeiten zur Folge. Einen solch heterogenen Datenstand zu konsolidieren und zu pflegen, ist nahezu unmöglich – vor allem bei einer europaweit einzigartigen Anlage, deren EMSR-Dokumentation mehr als 9000 Ein- und Ausgänge einbezieht.“ 20 Gewerke – ein Planungstool Neben der breiten Akzeptanz im Markt sprach auch ein weiteres Argument für EPLAN als Basis-Tool der EMSR-Dokumentation: „Die Anlandestation ist sehr komplex und verfügt, aus Sicht der Elektroplanung, über sehr unterschiedliche Komponenten – und alle sollten mit ein- und demselben Werkzeug geplant werden. Neben den grossen Niederspannungs- und Mittelspannungsanlagen gehört auch eine 110 kV-Schaltanlage und ein 40MW-Generator zur Station. Die Prozessleittechnik mit vielen komplexen Prozessen nimmt einen grossen Anteil der EMSR-Planung ein. Zudem gehören die Gasmessanlage, Kesselanlagen, die technische Gebäudeausrüstung sowie die Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik dazu. Insgesamt wurden rund 20 Gewerke mit EPLAN Electric P8 geplant. Klar definierte Abläufe Dabei waren die Abläufe der Zusammenarbeit zwischen GASCADE und den Lieferanten ebenso klar strukturiert wie die Dokumentation. Die Zulieferer reichten ihre Schaltschrankplanung in Form von P8-Dokumenten ein. GASCADE erteilte die Schaltschrankbaufreigabe, der Lieferant setzte die Pläne in die Praxis um und installierte die Schaltschränke vor Ort. Dann folgten Loop Check und Inbetriebnahme. Im nächsten Schritt wurde die Rotstrich- Revision in die As-built-Dokumentation umgesetzt, die dann – wiederum mit EPLAN-Tools – geprüft und letztlich freigegeben wurde. Standardisierung bringt Vorteile Inzwischen ist die Anlandestation seit zwei Jahren in Betrieb, und es hat diverse Optimierungen an der EMSR-Technik gegeben. Immer aber bewährt sich die einheitliche Datenbasis. Das gilt sowohl für die Integration von Änderungen und zusätzlichen Komponenten als auch für die Planung und Durchführung von Wartungs- und Servicearbeiten an den einzelnen Anlagenteilen. EMSR-Projektleiter Hartmann: „Die EPLAN-gestützten Abläufe bieten uns die Möglichkeit, jegliche Änderungen und Erweiterungen in einem definierten Prozess als ´closed loop´ umzusetzen und zu dokumentieren. Das erleichtert uns die Arbeit und gewährleistet einen sehr hohen Sicherheitsstandard. Und Sicherheit steht für uns als Betreiber der Gasstation an erster Stelle.“ Erweiterungen: Nicht ohne EPLAN Zurzeit laufen in Lubmin noch letzte Arbeiten an einer neuen KWK-Anlage auf dem Gelände der Anlandestation, die Wärme und Strom erzeugen soll. Dann wird das aus Sibirien kommende Erdgas schon direkt beim Anlanden genutzt. Auch bei diesem Projekt hat die Elektrotechnik wieder einheitlich mit EPLAN Electric P8 geplant, und auch hier waren wieder zahlreiche Gewerke beteiligt.  Autor: Gerald Scheffels, freier Fachjournalist, Wuppertal